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Fotoprojekt

QUEERES LEBEN IN HANNOVER – EIN FOTOPROJEKT

Sichtbarkeit und Repräsentanz von queeren PoCs und Menschen mit einem Migrationskontext in der Mehrheitsgesellschaft

VON RAY

„Homosexuell und muslimisch? Transgender und jesidisch? Ist das denn möglich und vereinbar?“ Ganz klar, JA! „Auch in Deutschland?“ JA! „Aber ihr kommt ja nicht wirklich aus Deutschland, oder?“. Doch, Deutschland ist unsere Heimat. „Aber du wirst doch bestimmt zwangsverheiratet, wenn deine Familie das herausbekommt.“. Nein, meine Familie akzeptiert und liebt mich so, wie ich bin.

Diese und weitere Fragen sind nicht frei erfunden, sondern werden queeren PoCs tatsächlich gestellt und Menschen, die sich dann damit auseinandersetzen müssen. Wir bieten diesen unsensiblen Fragesteller-inne-n kunst- und stilvoll die Stirn – streng nach der Devise: Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Hierfür konzipierten wir im Rahmen des Projekts „Show your true colors“ zuletzt das Fotoprojekt „Queeres Leben in Hannover“.

Die Intention dieser Impressionen ist es, eine Sichtbarkeit queerer People of Color (PoC) in der Mehrheitsgesellschaft zu etablieren und eine Nahbarkeit zu transportieren. Diese Menschen, die abgelichtet worden sind, zeichnen eine individuelle Geschichte mit wunderbaren, tollen Momenten an ihren Lieblingsorten in Hannover. Wie sie hier arbeiten, wie sie kreativ sind, wie sie Energie tanken und vor allem, wie sie hier leben. Sie zeigen wer sie sind und sie beschreiben, was es heißt, queer in Hannover zu sein. Sie sind politisch aktiv und beweisen Mut und Stärke, auch wenn sie vieles hart erkämpfen mussten. Es sind jene, die trotz Rassismus, Sexismus, Islamophobie, Xenophobie und weiteren Feindseligkeiten immer wieder aufstehen und weitermachen. Sie tun es nicht nur für sich, sondern auch für andere, denn auch sie schreiben QUEER HISTORY. Sie mischen Hannover bunt auf und lassen sich nicht umfärben. Sie zeigen ihre wahren Farben.

 

 

Ich bin ich: Alain. Ein Mensch mit afrikanischer Herkunft, eine Person, die die Menschen mag, statt seiner/ihrer/derer Geschlechtsorgane, ein Freigeist der noch viel zu lernen hat. Ein typischer Alain-Paul Nziza halt.

Wichtige Orte für mich sind Orte und Stellen, die ich zufällig durch das Spazierengehen entdeckt habe. Es war immer der richtige Zeitpunkt am richtigen Ort. Sie gaben mir gute Energie und Kraft um weiter zu gehen, fürs Spazierengehen und fürs Leben. Aber auch Orte, in denen ich sehr viele schöne Erinnerungen mit Personen in meinen Leben erlebt habe, sindmir sehr wichtig geworden. Wenn ich dort bin, füllt es mich mit glücklichen Erinnerungen. Orte, in denen ich meinen Gedanken freien Lauf lassen kann und in denen ich ich selbst sein kann, bei denen man mich immer wieder findet…aber davon gibt es viele.

 

Zu wissen, dass man als Mensch, der viele Minderheiten in sich vereint, doppelt so viel dafür tun muss, um nur halb so weit zu kommen, kann demotivierend sein. Es kann einem aber auch genau den nötigen Antrieb geben, es trotzdem zu tun. Dann erst recht. Wir können alles sein. In diesem Sinne: beweist es den Menschen, die nicht an euch glauben. Prove them wrong!

Dieser Platz symbolisiert alles, was ich an Hannover liebe: Das Pompöse, zu dem Hannover in der Lage ist, aber gleichzeitig alles irgendwie kleiner und subtiler, als man es in anderen Städten gewohnt ist. Bescheiden. Hannover eben.

 

Mein Name ist Armin. Auch wenn ich selbst kein Migrationserbe mit mir trage, ist das Thema über meinen Partner doch untrennbar mit mir verbunden.

Während meiner ersten Jahre in Hannover habe ich in der Limmerstraße in einer 7er-WG gelebt. Die Menschen dort sind für mich zu einer zweiten Familie geworden. Der Blick von der Dachterrasse geht auf das Ihme-Zentrum und auf die „drei warmen Brüder„, dem Wahrzeichen des Viertels. Auch wenn ich mittlerweile mit meinem Partner zusammenlebe, verbringe ich noch immer viel Zeit auf dieser Dachterrasse – im Sommer kann man hier wunderbar beobachten, wie sich pünktlich um 0:35 die Beleuchtung der warmen Brüder abschaltet.

 

Queersein hat viele Facetten. Während einige highlightet werden, rücken andere in den Hintergrund. Queer of color zu sein wird häufig nur problematisiert. Wir brauchen Räume, in denen wir die Facetten unserer Identität empowern und mit Freude erleben und für jene sichtbar sind, die Menschen wie uns erreichen wollen.

Der Welfengarten ist einer meiner Lieblingsorte in Hannover. Ich komme oft in meiner Mittagspause hierhin, lese oder tanke Sonne.

 

Entweder outen sich alle, oder keine*r soll sich outen.

Wir haben die ersten Fotos bei zwei Freunden von mir Zuhause gemacht. Ich bin sehr oft da, immer zu verschiedenen Anlässen. Mal zum Geige spielen, mal zum Quatschen, zum Lachen, zum Zuhören, zum Diskutieren, zum Philosophieren. Ich fühle mich dort in meinen verschiedensten Facetten zuhause und aufgenommen.

 

Bevor ich meine Erfahrungen als queere person of color nicht benennen konnte, dachte ich, mit mir stimme etwas nicht. Nun wird mir vieles bewusst und ich treffe Menschen mit ähnlichen Erfahrungen. Wir empowern uns gegenseitig und bieten uns eine Stütze. Dann, wenn unsere Freund*innen früher Erfahrungen missbilligten oder nicht mit der Ernsthaftigkeit begegneten, die wir uns gewünscht hätten. Sei es Rassismus oder Queerfeindlichkeit. Ich existiere und es war nicht immer leicht.

Vermutlich ist dieser Ort einer meiner Lieblingsorte, weil ich dort verschiedenste Situationen durchlebt habe. Eine Schnittstelle aus Kindheit und Jugend. Die schönste Zeit, aber auch die schlimmste Zeit. Ein Ort, der mich an Veränderungen erinnert und jedes Mal zurück schickt in Zeiten, in denen vieles anders war. Meine erste Assoziation ist Prozess, und dieses Wort finde ich sehr schön.

 

Ich komme aus Marokko und bin hierher geflüchtet, da Homophobie in Marokko normal ist. Und Hannover bedeutet für mich einfach HEIMAT.

Ich habe diesen Platz in Hannover ausgesucht, weil ich hier zum ersten Mal an einer Pride teilgenommen habe und das Bauwerk hinter mir gibt mir ein sicheres Gefühl, dass ich damals gebraucht habe. Nun arbeite ich seit einem Jahr hier in Hannover und dadurch weiß ich, dass ich ein Teil dieser Gesellschaft bin.

 

ERWEITERUNG

QUEERES LEBEN IN HANNOVER – EIN FOTOPROJEKT

Daniel

Ich würde mich als eine disziplinierte, aber auch teils selbstkritische Person beschreiben. Die Dinge, die mir sehr am Herzen liegen, erledige ich mit 120%. Mein Freundeskreis ist vielleicht nicht der größte, aber die Menschen, die ich zu meinen Freunden zähle, sind mir sehr wichtig. Manchmal bin ich auch sehr emotional und ungeduldig. Staut sich bei mir zu viel Energie an, muss ich mich bewegen. Eine Runde laufen im Wald oder auch schwimmen helfen mir wieder, meine innere Balance zu finden.

Als vor einigen Jahren klar wurde, dass ich nach Hannover ziehen werde, wollte ich mich in der schönen Südstadt niederlassen. Mit ihren schönen Seitenstraßen und kleinen Parkanlagen findet man immer ein Plätzchen zum Verweilen. Selbst bei Nacht fühle ich mich hier sicher. Dabei hat der Sallplatz im Herzen der Südstadt eine ganz besondere Bedeutung für mich. Im am Sallplatz gelegenen Café LaSall wurde schon so mancher Geburtstag gefeiert oder auch ausgiebig gefrühstückt. Bei Schäfer’s gibt’s die leckersten Brötchen. Da läuft man gerne ein paar Straßen weiter. Ich bin sehr glücklich darüber, mich für die Südstadt entschieden zu haben. Hier ist alles vertraut und ich fühle mich durchgehend geborgen.

 

Coco

Wenn du versuchst, jemand zu sein, der du nicht bist, kann ich dir gleich schon sagen, was es ist. Ein falsches Spiegelbild von deinem Glück, sobald du in den Spiegel blickst. Der dein Unglück belegt , sobald du an dem Spiegel stehst.

Ich bin ein Freigeist und eine Künstlerin, meine Muse ist die Welt und ihre wundervolle Natur. Meine Name ist Nursan aber alle nennen mich Coco. Als Kurdin-Yezidin bin ich zum einen in einer Community, in der der Mann das Sagen hat und es keine Homosexualität gibt und zum anderen in einer Welt in der ich aufgrund meiner Haar-, Augen-, und Hautfarbe jeden Tag begafft werde, aufgewachsen. Nachdem ich mit 22 von zuhause weggelaufen bin, war Hannover die erste Stadt die ich seitdem „zu Hause“ nannte und nenne. Ich habe schon immer eine Vorliebe für das Element Wasser gehabt, weshalb ich mich für die Kiesteiche entschieden habe.

Bernard

Ich sehe und verstehe mich als Mensch, der viele Gegensätze inne hat. Dennoch glaube ich nicht, dass das unbedingt schlecht sein muss. Zum Einen sind Ehrgeiz und Ambition schon immer ein Teil von mir gewesen, weswegen ich gerne eine starke Konkurrenz mir gegenüber habe. Zum Anderen bin ich auch verletzlich und empfindlich, was sich insbesondere am Tag bemerkbar macht, wenn meine mir am nächsten stehenden Menschen verletzt werden oder leiden. Ich empfinde daher, dass ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe, der manchmal auch illusorisch ist. Aber wer sagt schon, dass Illusionen davon ausgeschlossen sind, erstrebenswert zu sein?

Zu der Südstadt habe ich eine sehr heimische und vertraute Verbindung. Bevor ich nach meinem Studium hierhin zog, besuchte ich über mehrere Jahre hinweg eine meiner besten Freund*innen. So waren mir die Straßen hier in der Südstadt nicht mehr fremd. Grundsätzlich fallen mir dauerhafte Veränderungen nicht sonderlich leicht, aber die Südstadt hat mich mit offenen Armen empfangen.

 

Fotografie: Amelie Sachs

https://www.instagram.com/amlisachs/